Vom Schloss Friedrichshof zum Schlosshotel Kronberg

© RAINER VON HESSEN 2020

„FRIDERICI MEMORIAE“ steht über dem Hauptportal von Friedrichshof: „Dem Andenken Friedrichs“. Victoria Kaiserin Friedrich, Königin von Preußen und Tochter der britischen Queen Victoria, schuf sich nach dem frühen Tod ihres Mannes, des „99-Tage-Kaisers“ Friedrich III., ein neues Zuhause im Taunus. In Berlin war sie nicht länger erwünscht, und an ihr ursprüngliches Ziel, in Deutschland ein zeitgemäßes, parlamentarisches Regierungssystem nach englischem Vorbild zu etablieren, war mit ihrem Sohn Wilhelm II. nicht mehr zu denken.

A Country Home“

So ließ die Kaiserin sich auf einem weitläufigen Gelände bei Kronberg einen Schlossbau im historistischen Stil errichten. Ihr Architekt, der Berliner Hofbaudirektor Ernst Ihne, verstand es, Elemente deutscher und italienischer Renaissance mit englischer Tudorgotik und heimischem Fachwerk zu einem repräsentativen Ensemble zu verschmelzen. Nach vierjähriger Bauzeit war das Schloss 1893 samt Marstall und Nebengebäuden fertig.

Im Inneren umgab Victoria sich mit ihren Kunstsammlungen, die sie mit ihrem Mann in dreißig Ehejahren gesammelt hatte. Die Saalflucht im Erdgeschoss bot ihren Gästen einen anschaulichen Gang durch die Kunstgeschichte von der Gotik bis zum Klassizismus. „In seiner Art muss man das Schloss als ein einheitliches Kunstwerk ansehen“, erklärt es ihr Enkel Philipp Landgraf von Hessen. “Das ist ihr für die damalige Zeit in so vorbildlicher Weise gelungen, dass es geradezu als Muster galt. Viele der später entstandenen Schlossbauten und schlossartigen Häuser, besonders in Amerika, haben sich hier inspiriert.”[1]

Obwohl Schloss Friedrichshof zunächst nur als Sommersitz gedacht war, verfügte es über modernsten technischen Komfort wie Zentralheizung, Lastenaufzug und elektrisches Licht. Von der Firma Siemens & Halske ließ die Kaiserin in der Nähe das erste Kohlekraftwerk der Gegend errichten, das Friedrichshof mit Drehstrom versorgte. Leisten konnte sie sich den exorbitanten Aufwand nur, weil eine verstorbene Freundin, die Herzogin von Galliera, ihr fünf Millionen Francs hinterlassen hatte. “Sie ahnte nicht, welches Himmelsgeschenk sie mir damit machte”, erklärte die Kaiserin ihrer Mutter, der britischen Königin Victoria, “da es mich in die Lage versetzt, mir ein komfortables, unabhängiges country home zu schaffen, in dem ich meine Tage beschließen kann.”[2]

Aus Potsdam holte die Kaiserin den Hofgärtner Hermann Walter nach Kronberg, der den Park nach ihren Vorstellungen im englischen Stil anlegte. Zwei englische Gärtner wurden zur Betreuung der Anlagen eingestellt, zu denen auch eine Gärtnerei, ein terrassenartiger italienischer Rosengarten und eine Grotte mit Wasserfall gehörten.

Für Kronberg und Umgebung erwies sich die Gegenwart der Kaiserinwitwe, die sich für das Gemeinwohl engagierte, als Glücksfall. “Arbeitslöhne sind in der hiesigen Gegend hoch, worüber man sich nur freuen kann”, erklärte sie ihrer Mutter. “Bei Kronberg liegen einige sehr arme Dörfer, wo ich mich nützlich zu machen hoffe.”[3] So ließ sie das Wahrzeichen der Stadt, die verfalllende Burg, und die Johanniskirche restaurieren, stiftete ein Krankenhaus (heute Kaiserin Friedrich Haus), die Victoria-Schule in Schönberg, ein Altersheim, die Kronberger Stadtbibliothek und den Stadtpark (heute Victoria-Park).

 

Aufregender Besuch

Als Erster bestand Wilhelm II. darauf, den neuen Wohnsitz seiner Mutter zu inspizieren, obwohl ihr der Besuch ungelegen kam: “Wenn er doch nur mit zwei Herren käme, aber er muss 18 Personen mitbringen”, klagte sie der Queen, “es ist eine große ‚corvée‘ [Qual], wie man sie in Räumen unterbringen soll, die noch nicht fertig sind.”[4] Als es vorbei war, berichtete sie ihrer Tochter Sophie entspannter: “Die ganze Provinz war auf den Beinen, Extrazüge wurden von Frankfurt und Wiesbaden eingesetzt, die Scharen von Zaungästen herankarrten. Sie wurden an der Straße vom Bahnhof bis zu meinen Toren zum Spalier aufgereiht. Das Städtchen Kronberg war reizend geschmückt. Mir wäre natürlich ein inoffizieller Besuch viel lieber gewesen … Trotzdem denke ich, dass … Wilhelm sich auf seine Art gut amüsierte …, obwohl all diese baumlangen, lärmenden Adjutanten eine Geduldsprobe sind.”[5]

Im Frühjahr 1895 besuchte die 76-jährige Queen ihre Tochter. “Leider regnete es am Nachmittag in Strömen”, berichtete diese an Sophie. “Vormittags pflanzte Grandmama einen Baum und machte nur eine Runde in ihrer kleinen Gartenchaise durch den Rosengarten und den Marstallhof. Ich glaube, sie mochte es sehr und sagte, dass sie beim nächsten Mal, wenn sie nach Deutschland kommt, lieber hier wohnen würde als in Darmstadt”[6] – wo sie bei ihrem Lieblingsenkel Ernie (Großherzog Ernst Ludwig) wohnte.

Im Oktober 1896 kam auch Zar Nikolaus II., der Victorias hessen-darmstädtische Nichte Alix geheiratet hatte, zu einem Tagesbesuch. “Seitdem Nicky in Darmstadt eingetroffen ist, gibt es 40 Detektive in Frankfurt”, schrieb die Kaiserin an Sophie. “4 sind hierher in unser unschuldiges Kronberg gekommen, und Einer marschierte gestern zum Cottage hinauf, um sich nach der Straße zu erkundigen, die wir zu benutzen gedächten. Ich bin in der Tat sehr froh, dass ich nicht der Zar bin und kommen und gehen kann, wie es mir passt, ohne Detektive auf den Fersen.”[7]

“Ich empfing Nicky und Alicky am Bahnhof in Homburg”, setzt sie ihren Bericht am nächsten Tag fort. “Die Grundsteinlegung [der russischen Kirche] verlief gut und rasch. Dann fuhr ich mit Nicky und Alicky hierher … Hier in Friedrichshof verlief alles recht erfreulich … nicht steif oder zeremoniell. Nicky sah sich alles an und sagte, dass er vieles kopieren wolle. Sie hatten gerade noch Zeit, zwei Bäume zu pflanzen, ehe sie wieder abreisen mussten.”[8]

 

Die Hauptsorge der Kaiserin

Die impulsive Außenpolitik Wilhelms II., die England zunehmend von Deutschland entfremdete, beunruhigte seine hellsichtige Mutter. So setzte sie alles daran, in Friedrichshof ein Bündnis mit ihrem Mutterland zustande zu bringen: “Die Zeit drängt”, schrieb sie ihrem Sohn im Frühjahr 1898, “und ich mache mir solche Sorgen, dass, wenn die englischen Staatsmänner sehen, dass Deutschland sich nicht darum schert, auf die [Bündnis-]Idee einzugehen, sie sich woanders umschauen müssen – das wäre katastrophal, jetzt ist die Zeit & jetzt ist die Stunde!”[9] Tatsächlich gelang es ihr, im August 1898 ein geheimes Treffen in Friedrichshof zu arrangieren, bei dem der britische Botschafter dem Kaiser ein englisches Bündnisangebot übermittelte. Doch statt eine verbindliche Antwort zu geben, teilte dieser das streng vertrauliche Angebot gleich dem Zaren mit – um zu testen, ob der “liebste Nicky” das Angebot nicht überbieten wolle? Was wiederum zur Folge hatte, dass in Russland wie in England das Misstrauen gegen den unsteten Kaiser wuchs.[10]

Kurz nach dem Tod der Queen im Januar 1901 besuchte ihr Sohn und Nachfolger Edward VII. seine Lieblingsschwester “Vicky” in Friedrichshof, die damals bereits schwer krank war. So benutzte sie die Gelegenheit, dem Bruder persönliche Korrespondenzen, die ihre Kritik am Regierungsstil ihres Sohnes enthielten, zur sicheren Aufbewahrung nach England mitzugeben.

Kaiserin Friedrich starb nur wenige Monate nach ihrer Mutter, im August 1901. Friedrichshof hinterließ sie ihrer jüngsten Tochter Margarethe, die Prinz Friedrich Karl von Hessen geheiratet hatte.

Im August 1906 war Friedrichshof noch einmal Schauplatz eines diplomatischen Treffens, diesmal zwischen Edward VII. und seinem Neffen Wilhelm II. Die Begegnung war von Wilhelms Schwestern Sophie und Margarethe vermittelt worden. Die Deutschen fühlten sich durch die Entente zwischen Frankreich und Russland zunehmend verunsichert. Und nun liebäugelten auch die Briten damit, diesem Bündnis beizutreten, weil sie sich durch den “uferlosen” Aufbau der kaiserlichen Kriegsflotte bedroht sahen. Das Kronberger Treffen zwischen Onkel und Neffen, begleitet von hochrangigen Beratern, verlief zwar Wilhelm zufolge zur “vollen Zufriedenheit”, blieb aber letztlich folgenlos, weil er sich beharrlich weigerte, Abrüstungsfragen zu diskutieren.[11]

 

Friedrichshof zwischen den Kriegen

Die Folgen dieser Politik, die im Ersten Weltkrieg, der deutschen Niederlage und dem Sturz des Kaisertums mündete, waren in Friedrichshof Ende 1918 durch die Einquartierung französischer Besatzungstruppen zu spüren. Die Ironie der Geschichte wollte es, dass erst kurz zuvor Friedrich Karl hier eine finnische Delegation empfangen hatte, die ihm die Königskrone Finnlands antrug.

Da der Unterhalt von Friedrichshof während der Inflationszeit zu teuer wurde, zog die Familie in das Hofmarschalls-Cottage im Park oberhalb des Schlosses. Das Inventar wurde ‚eingemottet‘, der Großteil des Personals pensioniert und das Haus geschlossen. Nur einmal, im Dezember 1930, wurde es geöffnet und die Hussen von den Möbeln genommen, die Dienerschaft aus dem Ruhestand geholt und in die alten Livreen gesteckt, um eine Familienhochzeit zu feiern. In den folgenden 15 Jahren fiel das Schloss wieder in seinen Dornröschenschlaf.

 

Vom ‚Kronberg Castle‘ zum ‚Schlosshotel Kronberg‘

Im März 1945 marschierten zum zweiten Mal Besatzungstruppen, diesmal Amerikaner, in Kronberg ein. Infolge der Verstrickung der Hessens in das Nazi-Regime wurde Friedrichshof samt Nebengebäuden von der US-Armee beschlagnahmt, die Familie ausgewiesen und das Schloss acht Jahre lang als Offiziersclub unter dem Namen Country Club Kronberg Castle genutzt. In dieser Zeit ging ein bedeutender Teil der Sammlungen der Kaiserin Friedrich verloren.

Der Familienschmuck (in den Medien fälschlich als “Kronjuwelen” bezeichnet), der im Kohlenkeller eingemauert war, wurde den leitenden US-Offizieren verraten, von ihnen geraubt und verkauft. Der Diebstahl führte zu einem Aufsehen erregenden Prozess vor dem US-Kriegsgericht in Frankfurt, die Täter wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt. Nur ein kleiner Teil des Schmucks wurde wieder aufgefunden.

Als Friedrichshof 1953 von den Amerikanern geräumt wurde, standen Margarethes Erben, die Zwillingsbrüder Philipp und Wolfgang, vor einer schwierigen Entscheidung: Nach dem Willen der Erbauerin sollte das Anwesen in dem Zustand erhalten werden, in dem sie es hinterlassen hatte. 30 Jahre lang brachte die Familie dafür erhebliche finanzielle Opfer. Doch wegen der Schäden, die die Innenräume während der Besatzungszeit erlitten hatten, war die Erhaltung im Originalzustand nicht mehr möglich. So kam Wolfgang auf die Idee, angeregt durch den Erfolg des Hotels, das er auf dem Grundstück seines zerbombten Wohnhauses in Frankfurt gebaut hatte, auch das geheiligte Erbe der Großmutter in ein Hotel umzuwandeln. Aus dem Park ließ er ohne Eingriffe in den wertvollen Baumbestand einen Golfplatz machen. Zugleich gelang seinem älteren Zwillingsbruder Philipp mit der Ausstattung der Innenräume eine Synthese aus herrschaftlicher Tradition und bürgerlichem Selbstverständnis. In den 1960er Jahren übertrug die Familie das Schlosshotel Kronberg auf die Kurhessische Hausstiftung (heute Hessische Hausstiftung).

Ein Dachbrand vernichtete 1967 die zweite und dritte Etage. Antikes Mobiliar und Kunstgegenstände konnten glücklicherweise gerettet werden. In den unteren Stockwerken entstand zusätzlicher Schaden durch das Löschwasser, das sich über die große Eichentreppe wie ein Sturzbach in die Eingangshalle ergoss. Die Wiederherstellung des Anwesens wurde der Firma Philipp Holzmann übertragen, die bereits 75 Jahre zuvor das Schloss gebaut hatte und noch über die Baupläne verfügte. Im Dach wurde in Abstimmung mit dem Landeskonservator ein zusätzliches Geschoss eingebaut und im ersten Stock die Fassade an der kleinen nördlichen Terrasse vorgezogen. So entstand Raum für zusätzliche Bäder, und man nutzte generell die Gelegenheit, um bei der Wiederherstellung dem steigenden Komfortbedarf der Hotelgäste gerecht zu werden. Im Erdgeschoss wurden ein von außen kaum erkennbarer Anbau für eine Bar und darunter Räume für Garderobe und Toiletten geschaffen.

Auch nach der Umwandlung zum Hotel wurde das Haus hin und wieder für Familienfeste genutzt. Zuletzt feierte hier Landgraf Philipps Enkel Donatus (2003) seine Hochzeit mit Floria Gräfin von Faber-Castell.

Den wachsenden Herausforderungen durch die beständig zunehmende Zahl von Hotelneueröffnungen in Frankfurt und Umgebung begegnet das Management des Schlosshotels unter dem heutigen Vorstandsvorsitzenden der Hausstiftung, Donatus Landgraf von Hessen, durch stetige Investitionen in Logistik, Technik, Service und Zimmerkomfort. Um die Neudekorierung der Zimmer im englischen Countryhouse-Stil kümmert sich Landgräfin Floria persönlich.

Die gelungene Anpassung an den Wandel der Zeiten im „Country Home“ der Kaiserin ließe sich mit der Trivialformel auf den Punkt bringen: Wo einst Kaiser und Könige zu Gast waren, ist der Gast heute König.

[1] Philipp, in: Wolfgang Prinz von Hessen, Aufzeichnungen, Hg. Rainer von Hessen, Kronberg 1986, S 24.

[2] Victoria an Queen, 15. Apr. 1889, in: Beloved & Darling Child, Last Letters Between Queen Victoria & Her Eldest Daughter 1886-1901, edited by Agatha Ramm, Gloucestershire 1990, S. 85 (a. d. Engl. R.v.H.).

[3] Ebd.

[4] Victoria an Queen, 24.4.1894, ebd., S. 166 (a. d. Engl. R.v.H.).

[5] Victoria an Sophie, 1.5.1895, in: Arthur Gould-Lee (Hg.), The Empress Frederick writes to Sophie, S. 171 (a. d. Engl. R.v.H.).

[6] Victoria an Sophie., ebd., S. 195f. (a.d.Engl. R.v.H).

[7] Ebd., 17.10.1896, S. 234 (a.d.Engl. R.v.H.).

[8] Ebd., S. 234 (a.d.Engl. R.v.H).

[9] Victoria an Wilhelm II., 29.5.1898, in: John C.G. Röhl, Wilhelm II., Band 2, München 2001, S. 1083.

[10] Röhl, ebd., S. 1084.

[11] Vgl. Röhl, Wilhelm II., Bd. 2, S. 1152 und Bd. 3, München 2008, S. 494ff.